Durch Ausgrabungen und Forschungen von Höhlenmalereien zeigt sich deutlich, daß der Mensch schon vor vielen tausend Jahren - zum Errichten seiner Zelte und später beim Bau seiner Hütten - Holz als zentralen Baustoff gebrauchte. Mit Fellen, Reisig, Stroh, Schilf und Baumrinden wußte er die Dächer und Wände der ersten Behausungen gegen Wind und Kälte bazuschirmen.
Mit primitiven Werkzeugen verstand man es, Holz in grobe Scheite zu spalten. Durch weiteres Halbieren entstanden immer dünnere Scheite und zuletzt Schindeln, und damit konnten Hütten schuppenartig abgedeckt werden.
Die losen Schindellagen wurden mit Stangen und großen Steinen beschwert, damit sie vom Sturm nich abgehoben werden konnten. Dieses sogenannte Legschindeldach hat sich in den Alpenregionen mit besonders strengen klimatischen Anforderungen bis zur heutigen Zeit hervorragend bewährt.
Bereits unsere keltischen Ureinwohner haben auf der Heuneburg bei Herbertingen / Hundersingen Holzschindeln zur Dachdeckung verwendet. Diese Schindeln wurden damals teils mit Holznägeln befestigt, teils mit Lederriemen festgebunden. Die älteste nachweisbare Schindel wurde bislang in Bad Buchau gefunden Siedlung Wasserburg). Dabei handelt es sich um eine ca 3000 Jahre alte (ca 950 v. Chr.) gespaltene Eichenschindel, die durch das Moor konserviert wurde. Zu etwa gleicher Zeit wurden in Zug-Sumpf (Schweiz) gespaltene Weisstannenschindeln verwendet.
Schon Plinius und Tacitus berichteten von den schindelgedeckten Holzhäusern germanischer Völker. Von den Römern stammt auch das lateinische Lehnwort Scindula - Schindel oder scindere = spalten. Cornelius Nepos versicherte, dass Rom 470 Jahre lang bis zur Zeit König Pyrrhos (um 275 v. Chr.) mit Schindeln eingedeckt war. Zumindest unterschied man Stadtteile nach Wäldernamen (Plinius). Im großen Römer-Castell Saalburg in Hessen sind bei Ausgrabungsarbeiten eine original Klotz-oder Schindelhacke und sogar runde Eichen Zierschindeln gefunden worden. In der römischen Villa Rustica wurde nun eine alte Schmiede detailgetreu mit Holzschindeln eingedeckt.
Museumsbesuche der herverorragend rekonstruierten Anlagen geben einen umfassenden Überblick über das Leben und Werken unserer Vorfahren zu Beginn unserer Zeitrechnung.
Aus einer Bibelübersetzung des Wulfila zur Westgotenzeit ( Mitte 4. Jahrh.) entstammt ein Beleg mit der Bezeichnung Skalja = Schindel (altnordisch skilja = spalten, trennen) für ein mit skildus (gotische Bezeichnung für Brett) gedecktes Dach.
Bis ins frühe Mittelalter war die Holzschindel in fast ganz Europa das am weitest verbreitete Dacdeckungsmal. Bis zur Zeit der Karolinger galten Schindelbedachungen selbst bei vornehmen Gebäuden als allgemein üblich. Selbst im 18. Jahrh. waren Weichdächer in Deutschland die überwiegende Bedachungsform.
Infolge von Holzknappheit wurde das Schindeldach aber mehr und mehr von Ziegel und Schiefer verdrängt. Die großen europäischen Schiffsflotten verschlangen durch die Seekriege und Entdeckungsreisen unendlich viel Holz. Im Küstenbereich der nördlichen Länder und der Mittelmeerländer wurden für den Schiffsbau die Wdälder (bis tief ins Binnenland) rücksichtslos und ohne entsprechende Nachpflanzung abgeholzt. eine weitere Ursache für den Rückgang des Schindeldaches war das erhöhte Brandrisiko. In den immer größer werdenden Städten entstanden große Brände wegen unzureichenden Löschmöglichkeiten und enger mittelalterlicher Bebauung immer häufiger und führten teilweise auch zum Verbot des Schindeldaches.
In Millionen von Jahren entwickelte sich in den verschiedenen Vegetationszonen der Erde eine Vielzahl von Laub- und Nadelbaumarten. In Europa konnten sich aber während der Eiszeiten viele Baumfamilien durch die Ost-West-Richtung der Alpen nicht nach Süden ausdehnen und starben aus. Gegenüber Amerika gibt es deshalb bei uns relativ wenig Holzarten. Dies ist in Nordamerika anders, da die Gebirgsketten der Rocky Mountains und Apalachen in Nord-Süd-Richtung verlaufen und sich die Baumgrenzen während er Klimaverschlechterungen nach Süden ausdehnen konnten. In der Regel wurden zur Schindelherstellung die Baumsorten verwendet, die vor Ort verfügbar waren.
(Vitruv berichtet: in Frankreich, Hispanien, Portugal und Aquitania decken sie mit "Aichenschindeln")
Im Norden Deutschlands werden hauptsächlich Eichenschindeln, im Erzgebirge und Böhmerwald Fichten-Nutschindeln, im Schwarzwald Fichtenschindeln, im Raum Hessen Buchenschindeln und im Alpenraum vornehmlich Lärchenschindeln verwendet.
In waldreichen und höhergelegenen Gebieten hat das Schindeldach bei Wohn- und Bauernhäusern bis heute nichts von seiner Bedeutung eingebüßt. Auch das Legschindeldach in den Alpen ist wegen seiner besonderen Ausstrahlung durch keinen anderen Baustofff zu ersetzen. Um 1987 wurden in Südtirol noch ca 10.000 Schindeldächer vermutet.
In den sturmreichen Küstengebieten hat sich die Holzschindel an Kirchen und Windmühlen hervorragend bewährt. Im hohen Norden schützt die kunstvoll verlegte Holzschindel seit Jahrhunderten die mit hoher Zimmermannskunst erbauten Stabkirchen.